Wie sich die Bankenlobby gegen strengere Regeln wehrt

Finanzwende-Auswertung zeigt Ausmaß der Lobbykampagne in Brüssel

16.02.2023
Verschiedene Bankengebäude rasen auf den Abgrund zu. Davor steht ein Achtung-Schild.
  • Der sogenannte Basel-III-Kompromiss ist das Ergebnis einer Lobbykampagne von Banken und ihren Verbänden.
  • Banken und ihre Interessenvertreter*innen gingen bei EU-Parlamentarier*innen und der EU-Kommission ein und aus.
  • Das Ergebnis der Lobbykampagne sind weniger strenge Auflagen für Eigenkapital – potenziell gut für die Profite der Banken, schlecht für ihre Krisenfestigkeit.

Krisenfest werden Banken nur, wenn es strengere Auflagen für Eigenkapital gibt. Das war eine der zentralen Erkenntnisse der Finanzkrise. 2010 einigte sich der Baseler Ausschuss, das europäische Gremium für Bankenregulierung – übrigens unter Mitwirkung der Banken – auf neue internationale Standards. Schon damals galt der Kompromiss als unzureichend im Sinne echter Krisenfestigkeit, stellte aber einen Schritt in die richtige Richtung dar. In den USA wurde er 2014 auch entsprechend rigoros umgesetzt. 

In der EU hingegen sind die Auflagen fast 15 Jahre nach Beginn der Finanzkrise immer noch nicht umgesetzt. Diesen Sommer werden sie nun endlich in Kraft treten - Jahre später und in stark verwässerter Form. Von neuer Krisenfestigkeit ist somit keine Spur.


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Wie konnte das passieren? 

Hauptgrund für das Basel-III-Debakel ist eine intensive Kampagne der Bankenlobby. Vertreter*innen europäischer Banken trafen sich viele Hunderte Mal mit Mitgliedern von EU-Kommission und -Parlament, um die Gesetzgebung in ihrem Sinne zu beeinflussen. Neue Finanzwende-Zahlen, basierend unter anderem auf dem EU-Lobbyregister und Pflichtangaben der beteiligten Behörden und Parlamentarier, zeigen nun, wie oft genau die Bankenlobby Gehör erhielt – und wie gering gleichzeitig der Stellenwert von Vertreterinnen der Zivilgesellschaft war.

Die Grafik vegleicht die Zahl der Lobbytreffen der EU-Kommission mit Vertretern der Bankenlobby und Vertretern der Zivilgesellschaft.

Die Zahlen im Überblick 

176 Besuche

Allein seit dem Amtsantritt von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende 2019 haben Vertreter*innen der Finanzbranche 176 Mal bei ihrem Kabinett, EU-Kommissar*innen und Generaldirektor*innen der Kommission zu Basel III vorgesprochen. Vertreter*innen der Zivilgesellschaft hatten im selben Zeitraum 2 solcher Treffen.

300 Lobbyist*innen

An der Lobbyoffensive waren 70 Finanzkonzerne und Verbände beteiligt, für die insgesamt knapp 300 Lobbyist*innen arbeiten.Deutsche Vertreter der Bankenlobby waren ganz vorne dabei, mit Einzelakteuren wie der Deutschen Bank und der Commerzbank ebenso wie mit Verbänden. Der Bundesverband deutscher Banken ist sogar europaweit der Akteur mit den zweitmeisten Lobbytreffen mit Spitzenvertreter*innen der von-der-Leyen-Kommission, mit allein neun Treffen von 2019 bis heute. Mehr hatte nur die Fédération bancaire francaise.

200 Lobbytreffen

Gegenüber dem Europaparlament waren die Lobbyvertreter noch umtriebiger. Allein die Berichterstatter*innen und Schattenberichterstatter*innen des Parlaments zum sogenannten Bankenpaket, als Teil dessen die Basel-III-Regeln in der EU umgesetzt werden sollen, hatten in dieser Funktion nach eigenen Angaben 200 Lobbytreffen – und nur 4 davon mit Vertreter*innen der Zivilgesellschaft. Der Rest entfällt auf die Finanzlobby. Mit dabei waren unter anderem die Deutsche Bank, die Commerzbank, der Bankenverband, die Deutsche Kreditwirtschaft und der Sparkassen- und Giroverband. Die Deutsche Bank besuchte manche der federführenden Abgeordneten gleich mehrmals. 

Intensive Lobbyarbeit gab es ebenfalls gegenüber weiteren Parlamentarier*innen, auch wenn konkrete Zahlen hier schwerer zu bekommen sind, weil es keine Pflicht etwa zur Veröffentlichung von Lobbytreffen gibt.  Exemplarisch lassen sich aber etwa die Treffen von Joachim Schuster (SPD) heranziehen – einer der wenigen Abgeordneten, die ihre Lobbytreffen veröffentlichen. Schuster saß in der laufenden Legislaturperiode nach eigenen Angaben schon zwölf Mal mit der Finanzlobby zum Bankenpaket zusammen, zu dem Basel-III gehört. Dabei handelt es sich stets um Lobbyakteure aus Deutschland. Schuster sitzt zwar im Wirtschaftsausschuss, ist aber weder Berichterstatter noch Schattenberichterstatter zu dem Gesetz, also kein Hauptakteur im Kampf um Basel-III.

18 Millionen Euro

Allein die zehn finanzstärksten Akteure der deutschen Finanzlobby geben im Jahr über 18 Millionen Euro aus, um die Politik in Brüssel in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie beschäftigen fast 100 Lobbyist*innen, von denen knapp die Hälfte im Europaparlament akkreditiert ist und daher dort ein und aus gehen kann. Ganze 426 Mal trafen sich die Lobbyist*innen dieser Top-10 der deutschen Finanzlobby seit Dezember 2014 mit EU-Kommissar*innen, Kabinettsmitgliedern oder den Generaldirektor*innen der EU-Kommission. Seitdem werden Daten zu den Treffen hinter verschlossenen Türen veröffentlicht, allerdings nur für die Ebene der Top-Beamt*innen.

Der Erfolg der Lobbyarbeit zeigt sich im Ergebnis. Denn das, was die Branche jetzt als „Basel-III-Kompromiss“ bezeichnet, ist für die Banken ein Sieg auf ganzer Linie – und nicht die Regelverschärfung, die nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 vorgesehen und versprochen war. Und: Trotz dieses Lobbyerfolgs haben die Banken noch nicht genug – vor und hinter den Kulissen laufen schon wieder Bemühungen, Basel III und die dazugehörenden Regeln vor Inkrafttreten der neuen Regeln noch weiter zu verwässern.

Abgeschlossene Petition

Petition: Finanzlobby in die Schranken weisen!

Finanzlobby in die Schranken weisen

Die Finanzindustrie ist eine der mächtigsten Lobbygruppen Deutschlands. Finanzwende hat sich für eine wirksame Reform der Lobbyregistergesetzes eingesetzt. Über 19.000 Personen haben sich unserem Aufruf angeschlossen.
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