Banken auf widersprüchlichem Kurs beim Thema Nachhaltigkeitsdaten

Zwei Seelen wohnen, ach, in Banken Brust

30.04.2025
  • Einige der großen Banken beklagen in ihren Nachhaltigkeitsberichten den Mangel an belastbaren Nachhaltigkeitsdaten und die damit verbundenen Unsicherheiten bei der Bewertung von Klimarisiken. 
  • Das ist das Ergebnis der Finanzwende-Analyse der aktuellen Nachhaltigkeitsberichte der fünf größten in Deutschland aktiven Banken – Deutsche Bank, Commerzbank, DZ Bank, ING Diba und UniCredit.
  • Dennoch unterstützt ihr gemeinsamer Lobbyverband, die Deutsche Kreditwirtschaft, den „Omnibus“-Vorschlag der Europäischen Kommission, der die Offenlegungspflichten für Nachhaltigkeitsdaten massiv reduzieren und eine genauere Bewertung von Klimarisiken erheblich erschweren würde. 

Die Folgen des Klimawandels stellen den Finanzsektor vor erhebliche Herausforderungen. Um daraus resultierende Klimarisiken erkennen, bewerten und steuern zu können, sind verlässliche Nachhaltigkeitsdaten unverzichtbar. Mit der geplanten „Omnibus”-Initiative der Europäischen Kommission und dem damit verbundenen Abbau von Berichtspflichten droht, dass eine verlässliche Bewertung von Klimarisiken für Banken erheblich erschwert wird. Dies gefährdet letztlich die Finanzstabilität.

Wesentliche Gefahr: Klimarisiken

Klimarisiken im Finanzsektor entstehen durch die Auswirkungen des Klimawandels und den Verlust natürlicher Lebensgrundlagen. Die Europäische Zentralbank (EZB) unterteilt diese Risiken in zwei Kategorien: physische Risiken und Übergangsrisiken. Physische Risiken resultieren aus Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen, Dürren und Stürmen sowie dem Verlust natürlicher Ökosysteme. Übergangsrisiken entstehen hingegen durch politische, regulatorische und wirtschaftliche Veränderungen im Zuge des Übergangs zu einer CO₂-neutralen Wirtschaft. 

Nach Einschätzung der EZB können Klimarisiken erhebliche Auswirkungen auf Inflation, Wirtschaftswachstum und Finanzstabilität haben. Sie beeinflussen den Wert von Vermögenswerten und verändern deren Risikoprofil. Die Bewertung einer Immobilie kann sich beispielsweise drastisch ändern, wenn ein Überschwemmungsrisiko des Standorts ersichtlich wird. Dient die Immobilie gleichzeitig als Kreditsicherheit für eine Bank, ist auch diese betroffen. 

Dass Klimarisiken nicht nur theoretischer Natur sind, zeigen auch die Einschätzungen führender Banken. 

„Die Ergebnisse der Materialitätsbewertung des Portfolios für 2024 [..., zeigen] eine wesentliche Auswirkung physischer Risiken im langfristigen Zeitraum auf das Kreditrisiko auf.“ (UniCredit Nachhaltigkeitsbericht, eigene Übersetzung)

„Im Geschäftsjahr [wurden] physische beziehungsweise transitorische Klimarisiken als potenziell wesentliche übergreifende Faktoren identifiziert, die sowohl kurz- als auch mittel- bis langfristige Risiken für das Kreditrisiko, versicherungstechnische Risiko, operationelle Risiko, Reputationsrisiko, Geschäftsrisiko und das Marktrisiko im Sektor Versicherung bergen.“ (DZ-Bank Nachhaltigkeitsbericht)

„Im Ergebnis der Analyse wurde der Einfluss von Klimarisiken für die Risikoarten Kreditrisiko, Marktrisiko, Operationelles Risiko (einschließlich Compliance- und Cyberrisiko), Reputationsrisiko und Geschäftsrisiko als materiell bestätigt.“ (Commerzbank Nachhaltigkeitsbericht)

Mit anderen Worten: Klimarisiken sind real. Sie können langfristig gravierende Auswirkungen auf die Stabilität der Finanzinstitute haben, indem sie die Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten erhöhen, Vermögenswerte abwerten und die Geschäftsmodelle ganzer Branchen unter Druck setzen. 


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Klimarisiko im Blindflug: Banken beklagen Datenmangel und stützen sich auf Schätzungen

Doch obwohl das Problem anscheinend erkannt ist, mangelt es den Banken bislang vielfach an der nötigen Datengrundlage, um diese Risiken systematisch in Risikomodelle zu integrieren. Die ING Diba formuliert es so:

„Momentan ist es noch nicht möglich, Klimarisiken separat und vollständig in die ECL-Modelle einzubeziehen, weil es nicht genug historische Daten und Daten auf Kundenebene gibt, um die Risiken realistisch abzuschätzen.“  (ING Diba Nachaltigkeitsbericht, Eigene Übersetzung)

Auch die Deutsche Bank weist in ihrem Nachhaltigkeitsbericht auf methodische Unsicherheiten hin, die aus unvollständigen oder fehlenden Daten resultieren:

„Daten, Methoden und Industriestandards zur Messung und Bewertung von Klima- und anderen Umweltrisiken entwickeln sich noch oder sind in bestimmten Fällen noch nicht verfügbar. Zusammen mit dem Fehlen umfassender und konsistenter Angaben zu Klima- und anderen Umweltrisiken durch ihre Kunden bedeutet dies, dass die Bank wie die gesamte Branche in hohem Maße auf Proxyschätzungen und/oder proprietäre Ansätze für ihre eigenen Angaben zum Klima- und Umweltrisikomanagement angewiesen ist, was für die Bank zu methodischen Risiken führen könnte.” (Deutsche Bank Nachhaltigkeitsbericht)

Belastbares Risikomanagement setzt belastbare Klimadaten voraus

Wie alle Risiken müssen Banken auch Klimarisiken aktiv steuern. Das bedeutet, potenzielle Ausfallrisiken frühzeitig zu erkennen und wirksam zu begrenzen. Für ein wirksames Risikomanagement von Klimarisiken sind laut BaFin-Direktor Schaefer belastbare und aussagekräftige Daten unerlässlich. Genau diese Datengrundlage fehlt jedoch bislang, sodass Banken insbesondere physische Klimarisiken noch nicht ausreichend erfassen und bewerten können, wie BaFin-Präsident Branson kürzlich betonte. Gelingt es nicht, wesentliche Risiken in Risikomodelle zu integrieren, gefährdet das nicht nur einzelne Banken, sondern bringt im schlimmsten Fall das gesamte Finanzsystem ins Wanken.

Angesichts der bestehenden Unsicherheiten erscheint es nur logisch, dass beispielsweise die Deutsche Bank umfangreichere Offenlegungspflichten begrüßt, um verlässlichere Nachhaltigkeitsdaten zu erhalten und die Abhängigkeit von Schätzungen zu verringern:

„Positiv ist, dass erweiterte Offenlegungsanforderungen für unsere Kunden die Abhängigkeit von Proxyschätzungen und / oder proprietären Ansätzen [...] verringern werden.” (Deutsche Bank Nachhaltigkeitsbericht)

Omnibus – Banken-Verband unterstützt Abbau von nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten, obwohl die Daten gebraucht werden

Soweit klingt alles ganz stimmig: UniCredit, Commerzbank und die DZ-Bank weisen auf die wesentlichen Auswirkungen von Klimarisiken hin. Die ING-Diba räumt ein, dass eine verlässliche Bewertung dieses Risikos derzeit aufgrund unzureichender Daten kaum möglich ist und die Deutsche Bank bewertet weitergehende Offenlegungspflichten für Unternehmen künftig als positiv.

Doch gerade hier zeigt sich ein Widerspruch, der sich in der aktuellen Debatte um die Omnibus-Initiative der EU-Kommission äußert. Mit dieser Initiative möchte die EU-Kommission offiziell das Nachhaltigkeitsregelwerk vereinfachen – tatsächlich droht Analysen zufolge allerdings ein Kahlschlag bei den Nachhaltigkeitsdaten. Denn der Omnibus-Vorschlag würde dazu führen, dass rund 80 Prozent der bislang berichtspflichtigen Unternehmen von den Anforderungen der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) ausgenommen werden. 

So warnte EZB-Direktor Elderson, dass die Lockerung durch den Omnibus ein Problem für Banken darstellen würde, da diese nicht mehr über die notwendigen Informationen verfügten, um Klimarisiken angemessen zu bewerten. Dennoch begrüßen dieselben Banken, die in ihren Nachhaltigkeitsberichten über Probleme bei der Bewertung von Klimarisiken wegen fehlender Daten schreiben, über ihren gemeinsamen Dachverband, die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), die geplante Reduktion der ESG-Regulierung und die Kürzung der Berichtspflichten – mit dem Argument, bürokratische Belastungen zu reduzieren:

„Im Rahmen der Umsetzung wurde deutlich, dass die aktuelle Nachhaltigkeitsregulierung in Teilen übermäßig umfangreich ausfällt und zu massiven bürokratischen Belastungen bei den Unternehmen führt. [...] Daher begrüßt die Deutsche Kreditwirtschaft die Initiative der Europäischen Kommission, das bisherige Sustainable Finance Rahmenwerk über eine Omnibus Initiative zu vereinfachen.“  (Positionspapier Deutsche Kreditwirtschaft)

Konkret unterstützt die DK auch Maßnahmen wie die Befreiung von Tochtergesellschaften von Berichtspflichten und die Begrenzung der Berichterstattung entlang der Wertschöpfungskette. Weitere Schritte, die in der Praxis die ESG-Datenbasis verkleinern und somit die Bewertung der Klimarisiken erschweren. 

Das europäische Rahmenwerk für Sustainable Finance kann unzweifelhaft verbessert werden, um mehr Konsistenz zwischen den einzelnen Gesetzen herzustellen und die Anwendung durch Unternehmen einfacher zu gestalten. Der Vorschlag der EU-Kommission wäre jedoch ein radikaler Kahlschlag, der die Verfügbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten begrenzen und dadurch das Management von Nachhaltigkeitsrisiken erheblich erschweren würde. 

Der Omnibus als Gefahr für die Finanzstabilität

Wenn Banken die bestehenden Probleme beim Management von Nachhaltigkeitsrisiken überwinden wollen, müssten sie sich eigentlich für den Erhalt von nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten positionieren. Der Widerspruch zwischen den Aussagen der Banken in den Nachhaltigskeitsberichten und der öffentlichen Positionierung des Bankenverbands wirft jedoch Fragen auf – insbesondere angesichts der Tatsache, dass sich die Risiken im Zuge der Klimakrise weiter verschärfen werden. Ist den Banken ihre eigene Stabilität weniger wichtig, als lästig empfundene Pflichten loszuwerden? 

Es ist wenig überraschend, dass Dominique Laboureix, der Leiter des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) der EU im Rahmen der Omnibus-Debatte die politischen Entscheidungsträger eindringlich daran erinnerte, die Lehren aus der Finanzkrise von 2008 nicht zu vergessen. Laboureix fügte hinzu:

„Ich bin bereit, über Vereinfachungen zu diskutieren, aber ich bin nicht bereit, die Messlatte für den Schutz der Finanzstabilität zu senken.“

Abschließend bleibt festzuhalten: Wenn Klimarisiken nicht ausreichend verstanden, quantifiziert und bewertet werden können, entstehen blinde Flecken in der Risikobetrachtung – mit potenziell systemischen Folgen für Kreditportfolios, Kapitalmärkte und die Stabilität des gesamten Finanzsystems.

Es ist zu begrüßen, dass die Banken auf die Herausforderungen bei der Bewertung von Klimarisiken hinweisen. Umso wichtiger ist es jedoch, dass sie daraus die richtige Konsequenz ziehen: Transparenz ist keine bürokratische Last. Sie ist die Grundvoraussetzung für ein belastbares, zukunftsfähiges Finanzsystem. Wer sie zurückdreht, riskiert die Resilienz des Finanzsektors.

Deshalb sollte sich auch die künftige Bundesregierung in Brüssel für Stabilität einsetzen, statt für undurchdachte Deregulierung. Das heißt auch: Den vorliegenden Omnibus-Vorschlag ablehnen und sich stattdessen für resiliente Märkte in Europa einsetzen!

Dieses Projekt wird unterstützt von der KR Foundation

KR Foundation