Milliarden ja – aber diesmal gerecht!

Ein Blick in die Geschichte zeigt: Wir müssen jetzt klären, wie die Kosten neuer Schulden gerecht verteilt werden

13.03.2025

Manche liberale und konservative Kritiker*innen der jüngsten Vorschläge zur Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen und Sicherheit stellen die Frage, wer für die Kosten später aufkommen soll. Das ist berechtigt – auch wenn natürlich jetzt ebenfalls wichtig ist, dass die Schulden Wirtschaftskraft für die Zukunft schaffen und nicht die Wirtschaft der Vergangenheit subventionieren. 

Irgendwann müssen Zinsen und Tilgung geleistet werden. Und es droht sich ein Muster zu wiederholen, das wir aus früheren Krisen kennen: In dem Moment wo akutes Krisenmanagement angesagt ist, ist zwar der Gedanke nach einer fairen Aufteilung der Lasten populär – es bleibt aber politisch keine Zeit für eine Verteilungsdiskussion. Sobald der akute Druck dann nachlässt, geraten die Milliardenbeschlüsse in Vergessenheit und die Verteilungsfrage bleibt ungeklärt. De facto verteilt sich damit die Last der Krisenkosten auf die Bürger*innen im Rahmen der allgemeinen Steueraufteilung. Und da diese in den letzten Jahrzehnten immer ungerechter geworden ist, müssen sich wohlhabende Personen nur wenig beteiligen.

Die Last muss zukünftig von anderen Schultern getragen werden

Dass der Bundestag zusätzliche Schuldenaufnahme ermöglichen soll, um auf geopolitische Krisen und zerfallende Infrastruktur zu reagieren, ist klug gemacht, völlig richtig. Doch diesmal muss die Verteilungsfrage sofort auf den Tisch. Und diesmal sollten sich nicht gerade die Allerreichsten wegducken können, wenn es darum geht, die Kosten der Krise fair zu verteilen.

Jetzt wäre eine gute Zeit für die u.a. von Gewerkschaften geforderte einmalige Vermögensabgabe. Eine solche Abgabe wäre vor dem Hintergrund des Wegfalls des US-amerikanischen Verteidigungsschutzes verfassungsrechtlich möglich und nötig. Es gibt mit dem Lastenausgleichsgesetz nach dem 2. Weltkrieg auch ein (bundesrepublikanisches) Positivbeispiel, das Pate stehen kann.
Zusätzlich müssen strukturelle Veränderungen im Steuersystem jetzt entschieden angegangen werden, damit der Schuldendienst nicht vor allem von allen außer den Allerreichsten getragen wird. Insbesondere ein Ende der Steuerprivilegien für Superreiche ist überfällig.

Warum diese Entscheidungen jetzt auf den Tisch gehören, zeigt ein Blick auf die Finanzierungen vergangener Großkrisen seit 1949. Dabei haben in der Regel Menschen mit den größten Vermögen praktisch keinen Beitrag zur Finanzierung geleistet, während ihre Vermögen teilweise erheblich anwuchsen. Daraus sollten die Abgeordneten des Bundestages lernen und diesmal die Verteilungsfrage direkt, wenn die Milliarden beschlossen werden, klären.

Ein Blick zurück: Die Kosten der deutschen Einheit

Je nach Berechnung werden die Kosten der deutschen Wiedervereinigung auf 1,3 bis 2,0 Billionen Euro geschätzt. Ein großer Teil der Summe entfiel auf Sozialleistungen wie Renten- und Arbeitslosenversicherungen und wurde über Transfers finanziert. Hinzu kam eine deutlich erhöhte Staatsverschuldung. 

Der in 1991 – von Helmut Kohl unter Bruch seines Wahlversprechens – eingeführte Solidaritätszuschlag, kurz Soli, als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftssteuer stellte ein zusätzliches Finanzierungsinstrument dar. Er führte aber nicht zur größeren Beteiligung der Vermögenden an den gesellschaftlichen Kosten, da gleichzeitig wichtige Instrumente zur Beteiligung der Vermögenden abgebaut wurden:  Die Erbschaftsteuer wurde ab 1993 durch verfassungswidrige Privilegien bei den Bewertungen entkernt, die besonders großen Vermögen zugutekommen. Seit 1997 wird die Vermögensteuer nicht mehr erhoben. So kamen gerade die vermögendsten Familien um eine wirkliche Mitfinanzierung der Deutschen Einheit herum. 

Eine Rettung der Banken auf Kosten der Allgemeinheit

Während der globalen Finanzkrise 2008/09 stellte die Bundesregierung ein Rettungspaket in Höhe von 500 Milliarden Euro bereit, um die Stabilität des Finanzsystems zu sichern. Allein die Kosten der Bankenrettung beliefen sich auf über 70 Milliarden Euro. Hinzu kamen die Kosten für Konjunkturpakete. Doch eine umfassende Beteiligung vermögender Privatpersonen an den Kosten der Bankenrettung wurde nicht umgesetzt. Obgleich diese in den vorangegangenen Jahren des wirtschaftlichen Booms überproportional von der wirtschaftlichen Entwicklung profitiert hatten und obwohl es bei der Bankenrettung im Wesentlichen um eine Rettung von Geldvermögen ging – die in großem Maße bei den Menschen mit sehr viel Geld liegen. Zwar forderten auch damals viele – u.a. die Grünen – eine Vermögensabgabe, um die Lasten der Krise gerechter zu verteilen, doch diese war nicht durchsetzbar. Stattdessen wurde 2009 um die leeren staatlichen Kassen zu füllen die Mehrwertsteuer erhöht. So verlagerte sich das Steueraufkommen weiter hin zu den sogenannten Verbrauchssteuern – eine Belastung, die vor allem Gering- und Normalverdiener trifft.

Laut dem Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gaben Haushalte im untersten Einkommensdezil etwa 30 Prozent ihres Einkommens für Mehrwertsteuer unterliegende Ausgaben aus, während es im obersten Dezil nur etwa 10 Prozent waren. Gleichzeitig wurde mit der Einführung der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge ein Steuersatz festgelegt, der weit unter dem Spitzensatz für Arbeitseinkommen liegt – ein direkter Vorteil für Vermögende.

Ein weiteres Beispiel: In den Jahren der Eurokrise senkte die Europäische Zentralbank die Zinsen massiv. Das ließ Aktienkurse und Immobilienwerte extrem ansteigen. Wer schon Vermögen hatte, profitierte überdurchschnittlich. Und nicht nur das: In den Jahren 2014 bis 2022 hat die Europäische Zentralbank den Banken im Euro-Raum 36 Milliarden Euro geschenkt. Eine immense Umverteilung von unten nach oben. Denn diese Subventionen kommen bei denen an, die Bankaktien besitzen. Dieses Aktienkapital ist weiterhin stark bei den Allerreichsten konzentriert. Die Kosten dieser Subventionen tragen wiederum alle Bürger*innen. Denn über einen geringeren Gewinn der Bundesbank als Miteigentümer der EZB fehlen so auch Milliarden im Bundeshaushalt.

Während also Menschen mit sehr großem Vermögen besonders von den Rettungsmaßnahmen profitieren, blieb eine Beteiligung an den besonderen Krisenlasten aus. Der Schuldendienst für die aufgenommenen Kredite erfolgte aus dem allgemeinen Haushalt, zu dem Hochvermögende proportional keinen ausreichenden Beitrag leisten. 

Zwei Wolkenkratzer aus der Froschperspektive

Bankengeschenke der EZB

Die Europäische Zentralbank (EZB) hilft in Krisen immer wieder Banken mit Geld, das diese später nicht zurückzahlen müssen. Rund 36 Milliarden Euro in Subventionen sind so an Banken geflossen. Zeit, das Geld zurückzuholen!
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Corona-Pandemie und russischer Angriffskrieg

Die gesamten staatlichen Ausgaben im Zusammenhang mit der Corona-Krise beliefen sich laut Schätzungen auf mehr als 440 Milliarden Euro, wenn man alle Maßnahmen zusammenzählt. Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen wurden erhebliche neue Schulden aufgenommen. Eine Diskussion, wie die Lasten dieser Krise fairerweise zu verteilen wären, fand nicht statt. Dabei hätte es Gründe gegeben, über eine Verteilung der Lasten auch Schieflagen in der Krise zu korrigieren. Fast die Hälfte der Haushalte mit einem monatlichen Nettoeinkommen von maximal 1.500 Euro musste während der Pandemie ihre Ersparnisse aufbrauchen, um laufende Ausgaben zu decken. Gleichzeitig konnten manche Aktionäre von Krisenmaßnahmen profitieren, wenn staatliche Hilfen quasi an die Unternehmenseigentümer durchgeleitet wurden.

So flossen in der Pandemie beispielsweise 680 Millionen Euro zum Schutz der Beschäftigten an Galeria Kaufhof. Allerdings "vergaßen" unter Wirtschaftsminister Peter Altmaier die Beamt*innen zu unterbinden, dass die Hilfsgelder an den Multimillionär René Benko als Eigentümer der Immobilien durchgeleitet werden. Nun sind die Jobs weg – und die Millionen auch.   

Auch nach dem russischen Angriffskriegs auf die Ukraine fand keine explizite Klärung der Lastenverteilung statt. Die Bereitstellung von Finanzhilfen, Waffensystemen und humanitärer Hilfe für die Ukraine sowie die Sicherstellung der Energieversorgung in Deutschland haben Milliardenbeträge verschlungen. Hier hätte es Anlass genug gegeben, über eine spezifische Regelung zur Lastenverteilung bei den staatlichen Maßnahmen die ungleiche Betroffenheit in der Krise zumindest teilweise auszugleichen. So stiegen etwa die Energiekosten für Haushalte stark an und vor allem Geringverdiener*innen mussten einen Großteil der wirtschaftlichen Last tragen. 

Diesmal fair!

Weil die Frage der Verteilung der Krisenlasten jeweils vertagt und damit offen gelassen wurde, wurde die Finanzierung großer Herausforderungen in Deutschland in den letzten Jahrzehnten jeweils ohne nennenswerte Beteiligung der Hochvermögenden gestemmt. Diesmal muss die Verteilungsfrage bei den Krisenlasten deshalb sofort auf den Tisch. Eine einmalige Vermögensabgabe sowie das Ende der Steuerprivilegien für Superreiche bei den Erbschaftsteuer-Ausnahmen wären, den Herausforderungen angepasste, erste Schritte.

Jetzt die Finanzierung zu klären, nimmt die Sorgen derer Ernst, die sich fragen, wer das alles bezahlen soll. Und eine gerechte Verteilung kann die notwendige breite politische Unterstützung für riesige Investitionen, wie sie in schwierigen Zeiten unumgänglich sind, auch langfristig sichern. Wir wünschen den Abgeordneten des Deutschen Bundestages die nötige Weitsicht in den kommenden Tagen. Sie können es diesmal besser machen als ihre Vorgänger*innen in vergangenen Krisen – und sollten sich an 1949, nicht 1989 orientieren.