5 Jahre Finanzwende: 5 Fragen an Gerhard Schick 13.09.2023 1 | Wie kam es zur Idee, Finanzwende zu gründen? Banken und Co. haben eine Auseinandersetzung nach der anderen gewonnen. Nicht 2008 und 2009 – da hatten alle Politiker*innen noch den Schock der Finanzkrise in den Knochen. Aber danach, ab 2010, als das Thema aus den Schlagzeilen verschwunden war. Da fühlte es sich so an wie vor der Krise. Keine Chance gegen die Finanzlobby. Bis dahin, dass Abgeordneten-Kolleg*innen von mir formulierten „wir haben uns mit dem Bankenverband geeinigt“, oder dass bei Sachverständigenanhörung die meisten Eingeladenen Lobbyist*innen aus der Finanzbranche waren. Da kam bei mir der Gedanke auf: In der Umweltpolitik gibt es relevante NGOs, in der Sozialpolitik die Gewerkschaften. Warum gibt es eigentlich in Deutschland keine zivilgesellschaftliche Kraft, die mich gegen die Finanzlobby unterstützt, mit der ich als Parlamentarier zusammenarbeiten könnte? Da fehlt etwas, kein Wunder also, dass sich die Finanzlobby immer wieder durchsetzt. Diesen Gedanken hatte offenbar nicht nur ich. Und im Vorfeld des zehnten Jahrestags der Lehman-Pleite ist es uns dann 2018 gelungen, das zusammenzuführen. Und das war super ermutigend, wie ganz unterschiedliche Menschen bereit waren, hier mitzuziehen, weil sie ähnliche Erfahrungen gemacht hatten. Dazu zählen Norbert Blüm oder Gesine Schwan, viele Wissenschaftler*innen und später auch die früheren Abgeordnetenkollegen Heribert Hirte (CDU) und Fabio de Masi (Die Linke). Besonders krass war es bei der Erbschaftsteuer. Ich glaube, ohne diese Erfahrung der Ohnmacht gegen die organisierten Milliardäre gäbe es Finanzwende heute nicht. Video: Schlacht um die Erbschaftsteuer Videos: Zum Anschauen auf das Bild klicken. Wir möchten darauf hinweisen, dass nach Aktivierung Daten an YouTube und Google übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung. Verbindung mit YouTube herstellen und Video laden 2 | Für Finanzwende haben Sie dann Ihr Bundestagsmandat abgegeben und sind in die Zivilgesellschaft gewechselt. Wie kam es dazu? Ursprünglich hatte ich gedacht, ich kann das aus dem Bundestag anregen und begleiten. So war das in Brüssel bei der Gründung von Finance Watch gelaufen. Aber es wurde bald klar, und viele aus der ersten Stunde, Hans Schöpflin von der Schöpflin Stiftung etwa, haben mir das auch klar gesagt: Das funktioniert nicht. Eine Finanzwende in Deutschland aufzubauen wird nur klappen, wenn sie einen sichtbaren Kopf hat. Auch den Paukenschlag „erster Abgeordneter jemals gibt Mandat auf, um NGO zu gründen“, sahen viele als wichtig für den Gründungsmoment an. Das hatte es ja in der Tat noch nicht gegeben. Also bin ich ins kalte Wasser gesprungen – ohne zu wissen, was mich erwartet. Wir haben einfach losgelegt… 3 | War es das wert? Auf jeden Fall. Finanzwende hat eine echte Lücke geschlossen. Noch nie gab es so viele Menschen, die sich quer zu den sonst üblichen politischen Lagern gemeinsam gegen die Finanzlobby zur Wehr setzen. Ich hätte mir vor fünf Jahren nicht träumen lassen, dass wir heute schon 30 Mitarbeitende sind, getragen durch die finanzielle Unterstützung von über 8.000 Bürger*innen. Ich wusste am Anfang nicht, wie sich die finanzielle Situation entwickeln würde. Für mich war der Schritt mit Nachteilen verbunden – keine generöse Altersversorgung mehr und vor allem keine Bundestagsinfrastruktur, sondern erstmal ein Büro suchen und ein Team finden. Ich bin da ganz bewusst auch persönlich ins Risiko gegangen. Denn nur indem ich für die ersten Jahre zum Beispiel ein deutlich geringeres Gehalt akzeptierte, konnten wir den Start finanziell darstellen. Erst im fünften Jahr, so hatte das der erste Aufsichtsrat damals beschlossen, ist mein Gehalt wieder auf eine ähnliche Höhe gestiegen wie damals im Bundestag, also 10.000 Euro brutto im Monat. Rainer Voss, ein ehemaliger Investmentbanker, der auch zu den Gründer*innen gehörte und heute Finanzwende Fellow ist, hat mir später gesagt, dass er 2018 nicht geglaubt hatte, dass eine Bürgerbewegung Finanzwende sich finanziell halten kann. Ich bin stolz und dankbar, dass wir ihn da widerlegt haben. Und weiß, dass er darüber genauso froh ist wie ich. 4 | 5 Jahre Finanzwende, was ist heute anders? Bei aller Freude über die Entwicklung von Finanzwende treibt mich um, dass sich die Logik, die Finanzmärkte antreibt, im Vergleich zur Finanzkrise 2007/2008 nicht geändert hat. Im Gegenteil: Sie greift sogar immer weiter um sich. Mit fatalen Folgen für uns alle. So sind Finanzmärkte heute für Tausende kleine Krisen verantwortlich – Tendenz steigend: das Pflegeheim, das Insolvenz anmelden muss, die Arztpraxis, die nur noch an die Geldbeutel und nicht mehr an das Wohl der Patient*innen denkt, die Mieterhöhung, die eine Familie nicht mehr stemmen kann. Gleichzeitig verhindern die Finanzmärkte, dass der Kampf gegen die großen Krisen unserer Zeit – gegen die Klimakrise und eine extrem ungleiche Vermögensverteilung – effektiv geführt werden kann. Insofern ist der Frust, der zur Gründung von Finanzwende geführt hat, schon noch da. Wir haben Erfolge erzielt, aber die Finanzlobby ist noch immer Taktgeber politischer Entscheidungen. Auch die Ampel hat daran leider nichts geändert. Unsere Aufgabe der nächsten fünf Jahre wird es deshalb sein, das Vordringen der Finanzmärkte in Bereiche des täglichen Lebens zurückdrängen und die Macht der Finanzlobby wirksam zu begrenzen. 5 | Was wünschen Sie Finanzwende zum 5. Geburtstag? Vor allem Erfolg. Wir haben es in den letzten fünf Jahren geschafft, endlich ein zivilgesellschaftliches Gegengewicht zur Finanzlobby aufzubauen. In fünf Jahren hoffe ich, dass man von uns als echte Gegenmacht der Finanzlobby sprechen kann. Und wir auf einige Momente verweisen können, wo wir mit Fug und Recht sagen können: An dieser Stelle haben wir dafür gesorgt, dass die Finanzmärkte den Menschen dienen und nicht umgekehrt. Um das zu erreichen, müssen wir allerdings noch viel stärker werden. Deswegen wünsche ich mir natürlich auch noch viele zusätzliche Fördermitglieder. Wir haben es mit einer sehr mächtigen Lobby zu tun. Die können wir nur gemeinsam als Demokratinnen und Demokraten erfolgreich entmachten. Das war der Gründungsgedanke von Finanzwende. Und ich hoffe, wir kommen dem Ziel die nächsten fünf Jahre immer näher. Fördermitgliedschaft Fördermitglied werden Mit einer Fördermitgliedschaft unterstützen Sie unsere Arbeit regelmäßig und geben uns Planungssicherheit. Je mehr Fördermitglieder sich uns anschließen, desto mehr Gehör finden wir. Seien Sie dabei! Jetzt fördern Video: Fünf Jahre Finanzwende Videos: Zum Anschauen auf das Bild klicken. 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