Landesbanken

Das Drama der Landesbanken

06.12.2019
Die Justitia hält ihre Waage. Auf der Waage wiegen Bankentürme, um die ein Rettungsring liegt und Geldscheine wehen, mehr als Menschen.
  • Die Geschichte der Landesbanken ist leider auch eine Geschichte von Milliardenkosten, politischer Verflochtenheit und einem unbegreiflichen Ausmaß an Intransparenz.
  • Trotz der Milliardenkosten für die Staatskasse sind am Ende fast alle Verantwortlichen straffrei davongekommen und zu wenig Konsequenzen gezogen worden.
  • Für die Rettung verschiedener Landesbanken mussten allein seit Beginn der Finanzkrise Milliarden aufgewandt werden.

Bei Betrachtung der geretteten Landesbanken lassen sich Muster erkennen. Sie werden dadurch erkennbar, dass sie nicht nur in einem Fall zu Tage treten. In der Regel sind sie ein Zeichen dafür, was schon vor der notwendigen Rettung schieflief. Bei vielen Banken zeigt sie aber auch, was noch während der Rettungen beziehungsweise im Nachgang alles versäumt wurde. In mehreren Fällen wurden dadurch die Maßnahmen noch schmerzhafter und hinterließen erst recht Spuren am Glauben an den Rechtsstaat. Finanzwende findet: Nach Milliardenkosten für die Rettung der Landesbanken können nicht noch mehr öffentliche Gelder in schlechte Strukturen gesteckt werden. Wir setzen uns dafür ein: Kein gutes Steuergeld für schlechte Banken verbrennen! Doch genau das passiert nun im Fall der Rettung der Nord/LB .

Politische Verflochtenheit

Schon allein durch die Besetzung vieler Gremien in den Landesbanken ist klar, dass politische Personen einen gewissen Einfluss auf die Geschäfte der Institute haben. Das ist bei öffentlichen Instituten auch notwendig, um die Ausrichtung auf das Gemeinwohl und die Interessen der Bürger*innen sicherzustellen. Doch dieser Einfluss kann schnell problematisch werden, wie in der Vergangenheit der Landesbanken leider immer wieder geschehen. Dann werden falsche, politisch eingefärbte Ziele verfolgt oder gar Politiker*innen direkt mit Gefälligkeiten unterstützt. Dies hat dann nichts mehr mit dem ursprünglichen öffentlichen Auftrag zu tun. Die WestLB finanzierte beispielsweise der politischen Elite Flüge, Wahlkämpfe und Immobilien. So verkam sie nach Ansicht mancher zur „Schaltzentrale der Industrie und Machtinstrument der Sozialdemokratie“. Im negativen Sinn beeindruckend ist dahingehend auch die Geschichte der Landesbank Berlin. Ein von CDU-Mitgliedern geführtes Unternehmen erhielt Kredite für zweifelhafte Immobiliengeschäfte, genehmigt von einem Parteifreund, es floss auch eine Parteispende.

Bei der Bremer Landesbank sowie der HSH Nordbank fällt dagegen der viel zu starke Fokus auf den Wirtschaftszweig Schifffahrt auf. Die Bremer Landesbank hatte zwischenzeitlich einen Schiffsfinanzierungsanteil von 20 Prozent am gesamten Kreditportfolio, die HSH war der größte Schiffsfinanzierer der Welt. Die Frage muss erlaubt sein, ob diese Abhängigkeit wohl zur Stützung der heimischen Schiffsindustrie so zustande gekommen wäre, wenn das nicht auch ein großes politisches Anliegen gewesen wäre.

Massive Spekulationen

Immer wieder dienten Landesbanken nicht ihren eigentlichen Zielen: Eigentlich sollen sie „nur“ eine Art Zentralbank für die Sparkassen sowie Ansprechpartner*in für die Wirtschaft und die öffentliche Hand sein. Diese Ziele sind weitgehend mit sehr seriösem Geschäft verbunden. Wie konnte es dann passieren, dass viele Landesbanken massiv spekulierten?

Spätestens als die Gewährträgerhaftung (staatliche Haftung für die Landesbanken) in den Nullerjahren wegfiel, wurde das Geschäftsmodell der Landesbanken in Frage gestellt. Doch statt die Konsequenzen zu ziehen und beispielsweise Kapazitäten abzubauen (etwa über die Bündelung bei einem oder zwei Zentralinstituten wie im Genossenschaftsbankensektor), ging bei vielen Landesbanken wie der Sachsen LB die Spekulation mit risikoreichen Wertpapieren und Krediten so richtig los. Man kaufte unter anderem Wertpapiere, deren Entwicklung davon abhängig war, ob Menschen in den USA ihre Hauskredite zurückzahlen konnten. Später standen dann genau diese Papiere im Zentrum der Finanzkrise ab 2008. Was dies noch mit dem öffentlichen Auftrag der Landesbanken zu tun hatte, kann wohl kaum jemand erklären. Auch der viel zu große Fokus der Nord/LB, der Bremer Landesbank und der HSH Nordbank auf die Schifffahrtsbranche muss als viel zu riskante, da einseitige Spekulation eingestuft werden. Mit diesen Ansätzen konnten zwar viele Bundesländer zwischenzeitlich ihre jeweiligen Landesbanken halten, aber am Ende war dies mit massiven Verlusten im Rahmen der Finanzkrise beispielsweise bei der WestLB oder der Sachsen LB verbunden.

Verstrickung in kriminelle Geschäfte

Auffallend ist auch, dass viele Landesbanken mindestens im Verdacht stehen, am größten Steuerraubzug der deutschen Geschichte, CumEx, beteiligt zu sein. Schon 2007 gab ein Whistleblower Hinweise zur Beteiligung der WestLB. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) erkannte ihre Schuld selbst an und zahlte immerhin 150 Millionen Euro als Steuernachzahlung. Die Bank war nach eigenen Angaben von 2007 bis 2009 in CumEx involviert, also über mehrere Jahre. Eingegriffen hat von den internen und externen Aufsichtsgremien über die Bank in dieser ganzen Zeit niemand richtig. Auch die HSH Nordbank hat ihre Beteiligung zugegeben und Steuern nachgezahlt. Beim CumEx-Verfahren vor dem Landgericht Bonn wurde auch die hessisch-thüringische Landesbank Helaba als Beteiligte am großen Steuerraub genannt.  

Intransparenz

Bei den Landesbanken geht es oft gleich direkt um Milliardensummen. Und doch wird bei Rettungen der Öffentlichkeit nicht erläutert, warum der Einsatz des Geldes notwendig ist, warum das die beste Alternative ist und wie so etwas in Zukunft verhindert werden soll. Dies ist auch beim aktuellen Rettungsfall um die Nord/LB der Fall. Selbst Abgeordnete werden dort wichtige Informationen vorenthalten und dies trotz der Dimension der Entscheidung.

Die Intransparenz zieht sich von der Ausgestaltung der Bilanzen über konkrete politische Rettungsentscheidungen bis zur mangelhaften Aufklärung der Vorfälle im Nachhinein durch.  Bei mehreren Landesbanken, wie der HSH Nordbank, der Landesbank Berlin oder SachsenLB wurden Bilanztricksereien vorgenommen, um besonders riskante Geschäfte zu verstecken. Problemkredite wurden in Zweckgesellschaften ausgelagert oder gesonderte Fonds aufgelegt. Bei der Rettung der HSH Nordbank wurden relevante Daten und Gutachten unter Verschluss gehalten, selbst die Parlamentarier*innen konnten oft einfach nur zustimmen, ohne dass alle Fakten auf dem Tisch lagen. Sicher ein Faktor für viele falsche Ankündigungen und Entscheidungen. Und das gleiche Szenario wie nun bei der Nord/LB.

Eine Folge dieser Intransparenz dürfte sein, dass teilweise mehr als eine Rettung erforderlich war.  Das gesamte Ausmaß des Desasters kam nicht gleich beim ersten Mal auf den Tisch oder man versuchte, die Lage durch entsprechend günstige Annahme schönzurechnen. Beispiele dafür sind die WestLB, die HSH Nordbank und nun die zweite Rekapitalisierungsrunde bei der NordLB.

Mangelnde Übernahme von Verantwortung

Sowohl auf politischer als auch auf Bankenebene kamen die Verantwortlichen für die Desaster oft relativ ungeschoren davon. In vielen Fällen hatten Politiker*innen die Aufsicht über die Institute zumindest teilweise inne, doch eingeschritten sind sie trotz teils offensichtlicher Fehlentwicklungen nicht. Bei der Bremer Landesbank änderte sich beispielsweise der Anteil der Schiffsfinanzierung am Gesamtkreditportfolio von circa 7 Prozent im Jahr 2002 auf mehr als 20 Prozent im Jahr 2013. Das hätte man erkennen und verhindern müssen, übrigens auch von Seite der Finanzaufsicht. Bei der HSH Nordbank wurden noch viel zu lange sehr hohe Boni ausgezahlt. Der damalige HSH-Chef Nonnenmacher (auch als Dr. No bekannt) erhielt im Juli 2009 eine Sonderzahlung in Höhe von 2,9 Millionen Euro - und das, obwohl staatlich gestützte Banken eigentlich eine Gehaltsobergrenze von 500.000 Euro einhalten müssten. Aber auch im Anschluss wurde kaum jemand richtig zur Verantwortung gezogen, sodass auch vieles in Unklaren blieb. Eine Anklage gegen den Vorstand der LBBW, die eine Chance zur Beleuchtung der Umstände der Krise bot, wurde gegen Geldzahlungen zwischen 20.000 und 50.000 Euro eingestellt. Und auch im politischen Raum fehlte in den Untersuchungsausschüssen, so es sie denn überhaupt gab, der parteiübergreifende Anspruch, wirklich reinen Tisch über die Milliardendestaster der Landesbanken zu machen.

Extrem hohe Kosten für Rettungen der Landesbanken in Finanzkrise

Sachsen LB 1,9 Milliarden Euro
LBBW 3,2 Milliarden Euro
WestLB mind. 8,3 Milliarden Euro
BayernLB 9,7 Milliarden Euro
HSH mind. 11 Milliarden Euro

Aktuelle Kosten zur NordLB: Mind. 2,6 Mrd. Kosten aus der Rettung aus 2011/2012 und nun 3,6 Mrd jetzt für die Rettung der NordLB

Insgesamt also: 40,3 Milliarden Euro

Quellen für Rettungszahlen:

SachsenLB: Angaben sächsischen Finanzministerium (wohl ohne Einberechnung der Kapitalkosten) https://www.mdr.de/sachsen/politik/sachsen-lb-102.html
HSH Nordbank: Angaben der Regierungen (wohl ohne Einberechnung der Kapitalkosten) https://www.ndr.de/nachrichten/Milliarden-fuer-die-HSH-Trauerspiel-in-fuenf-Akten,hshnordbank1134.html

https://www.welt.de/regionales/hamburg/article186528266/Linksfraktion-will-mehr-Transparenz-bei-HSH-Kosten.html

Nord/LB (da Unklarheiten über genaue Hintergründe und Zahlungsflüsse: ohne Einberechnung von Kapitalkosten und niedrig kalkuliert. An vielen Stellen ist von der genehmigten Umstrukturierungsbeihilfe von 3,3 Milliarden Euro durch die EU im Jahr 2012 die Rede, da aber nicht transparent ist, ob letztlich komplett darauf zurückgegriffen wurde, wird hier nur mit 2,6 Milliarden Euro aus der damaligen Maßnahme gerechnet. Zusammen mit der jetzigen Rettungssumme von 3,6 Milliarden Euro, kommt ein Gesamtbetrag von 6,2 Milliarden Euro zur Rettung der Nord/LB zustande)
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/finanzen-teure-rettung-einer-landesbank-1.4692830

https://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/249193/249193_1590522_109_2.pdf

WestLB/LBBW/BayernLB:
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/042/1904242.pdf

unter folgenden Grundlagen für die Berechnung der Rettungssummen für die drei Landesbanken:

  • Stand September 2018
  • Garantien wurden nur angerechnet, wenn sie in Anspruch genommen wurden
  • Es wurden keine Kosten für Garantien, wie etwa höhere Zinsen aufgrund schlechterer Bonität des Garantiegebers angenommen. Es ist aber durchaus davon auszugehen, dass die hohen Belastungen für den Landeshaushalt Einfluss auf die Beschaffungskosten frischen Kapitals hatten.
  • Erträge aus Garantien wurden gegengerechnet.
  • Kapitaleinlagen, sofern nicht zurückgezahlt, wurden als Kosten berechnet. Wenn, wie bei der Commerzbank, ein zu veräußerndes Aktienpaket besteht, so wurde dies gegengerechnet.
  • Zinsen, Dividenden und sonstige Gebühren wurden gegengerechnet.
  • Es wurden Kapitalkosten für die jeweils einlegenden öffentlichen Stellen von 3,5% p.a. angenommen. Die durchschnittlichen Zinsen auf die Bundesschuld 2008 lagen bei ca. 4,3%. Emissionsrenditen und Umlaufrenditen bei ca. 4%. Insbesondere für die anderen öffentlichen Stellen, wie Bundesländer, lagen die Refinanzierungskosten wahrscheinlich höher.
  • Es wurden ergänzende Informationen zu Haftungsrisiken aus der WestLB Rettung herangezogen (Haftungskaskade). Hierzu siehe die Vorlage des Finanzministeriums NRW an den Haushalts- und Finanzausschuss