Nachhaltigkeit als Aufsichtspflicht Drei Aufgaben für die BaFin 03.07.2025 Wenn die BaFin ihrem Auftrag gerecht werden will, muss sie ihre Arbeit im Bereich Nachhaltigkeit deutlich ausbauen und verbessern. Wie das gehen könnte, demonstrieren unsere drei Forderungen, jeweils mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung. Die BaFin muss Greenwashing besser bekämpfen, sie muss die Finanzmärkte klimakrisenfest machen und sich selbst im Bereich Nachhaltigkeit ganz anders aufstellen. Banken und andere Finanzakteure sind zugleich Verursacher und Betroffene der Klimakrise. Als Finanzierer klimaschädlicher Wirtschaftsaktivitäten sind sie mitverantwortlich für die Erderhitzung – und damit in der Pflicht, ihre Geschäftsmodelle grundlegend umzubauen. Doch statt diesen Wandel entschlossen voranzutreiben, stellen viele Finanzunternehmen sich derzeit nachhaltiger dar, als sie sind, und beschönigen ihr Engagement für eine lebenswerte Zukunft. Gleichzeitig sind Banken und Versicherer selbst stark von der Klimakrise betroffen: Sie tragen finanzielle Nachhaltigkeitsrisiken. Konkret heißt das zum Beispiel: Eine Bank, die viele Kredite an Unternehmen mit fossilen oder anderweitig veralteten Geschäftsmodelle investiert hat, steht unter Druck, wenn CO₂-Preise steigen oder neue Klimaregeln greifen – und damit Ausfallrisiken steigen. Oder ein Versicherer gerät ins Straucheln, wenn Extremwetter wie Überschwemmungen oder Hitzewellen gleichzeitig viele teure Schadensfälle auslösen. Wenn Finanzakteure diese Risiken nicht systematisch erfassen, bewerten und steuern, droht die Klimakrise das gesamte Finanzsystem ins Wanken zu bringen. Wir treiben die ökologische Finanzwende voran. Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben: E-Mail* Unsere Datenschutzerklärung finden Sie hier. Anmelden Angesichts dieser Herausforderungen ist die Finanzaufsicht gefragt. Sie muss falschen grünen Versprechen den Riegel vorschieben und gleichzeitig die Stabilität einzelner Institute sowie des Finanzsystems als Ganin Zeiten der Klimakrise sichern. Das zählt zu den Kernaufgaben der deutschen Finanzaufsicht BaFin, deren gesetzlicher Auftrag es ist, ein funktionsfähiges, stabiles und integres Finanzsystem in Deutschland zu gewährleisten – insbesondere durch den Schutz von Verbraucher*innen und die Begrenzung von Risiken für die Finanzmarktstabilität. Doch obwohl die BaFin über vielfältige Instrumente verfügt und bereits einige richtige Schritte unternommen hat, um diesen Auftrag zu erfüllen, wird sie dieser Aufgabe bisher nicht ausreichend gerecht. Deshalb fordern wir: Greenwashing wirksam bekämpfen – auf Produkt- und Institutsebene Finanzmärkte klimakrisenfest machen Nachhaltigkeit wirksam in der Aufsicht verankern Forderung 1: Greenwashing wirksam bekämpfen – auf Produkt- und Institutsebene Greenwashing ist an den Finanzmärkten weit verbreitet. Um Verbraucher*innen und die Integrität der Finanzmärkte wirksam zu schützen, muss die BaFin nachhaltigkeitsbezogene Versprechen prüfen, sowohl auf Produktebene – etwa grüne Labels, Produktnamen oder andere Vermarktungsstrategien – als auch auf Institutsebene – etwa Mitgliedschaften in Allianzen, Werbung mit den UN-Nachhaltigkeitszielen (SDGs) oder die Selbstdarstellung als klimabewusstes Institut auf der Unternehmenswebsite. Nachhaltigkeitsbezogene Aussagen systematisch prüfen Die BaFin ist keine Umweltbehörde. Sie ist jedoch mit dem Schutz von Verbraucher*innen am Finanzmarkt betraut und muss die Integrität der Märkte sicherstellen. Diesen Auftrag kann sie nur erfüllen, wenn sie… ...inhaltlich statt nur formal prüft. Die BaFin darf ihre Prüfung nicht auf formale Aspekte beschränken, sondern muss sicherstellen, dass nachhaltigkeitsbezogene Versprechen von Finanzakteuren Substanz haben. Bei als nachhaltig vermarkteten Produkten sollte die BaFin folgende Aspekte berücksichtigen: Minimalkriterium: Investitionen in den Ausbau fossiler Energien sind mit einer Einstufung als nachhaltiges Investment nicht vereinbar. Für verlässliche Informationen zu expansiven Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie kann die BaFin auf die von urgewald e.V. bereitgestellten Global Coal Exit List (GCEL) und Global Oil and Gas Exit List (GOGEL) zurückgreifen, die von anderen europäischen Aufsichtsbehörden bereits verwendet werden. Ausländische Fonds: Auch Fonds, die im europäischen Ausland aufgelegt wurden, jedoch in Deutschland vertrieben werden, müssen einer inhaltlichen Prüfung unterzogen werden, insbesondere dann, wenn die Aufsicht im Herkunftsland keine ausreichende Kontrolle gewährleistet (siehe S. 50 des Rechtsgutachten zu den Aufgaben und Befugnissen der BaFin im Zusammenhang mit der Beachtung von ESG-Faktoren durch Akteure der Finanzwirtschaft). Vorbilder zur inhaltlichen Prüfung von Nachhaltigkeitsversprechen bei Publikumsfonds: Vorschläge von urgewald und WWF für die Ausgestaltung fossiler Ausschlüsse bei als nachhaltig vermarkteten Produkten in der in der SFDR-Überarbeitung. Von Client Earth bei der französischen Finanzaufsicht eingereichte Beschwerde über als nachhaltig vermarktete BlackRock-Fonds, die in Unternehmen der fossilen Brennstoffindustrie investieren, welche ihre Kapazität im Bereich fossiler Brennstoffe ausbauen und/oder keinen Paris-kompatiblen Ausstieg verfolgen. Nachhaltigkeitsversprechen auf Unternehmensebene müssen ebenfalls inhaltlich überprüft werden. So sollten beispielsweise Selbstdarstellungen im Kontext der UN-Nachhaltigkeitsziele oder Netto-Null-Versprechen mit der tatsächlichen Portfoliozusammensetzung und der Zukunftsplanung des Finanzunternehmens übereinstimmen – und das nicht nur zum aktuellen Zeitpunkt, sondern auch im Rückblick auf frühere Versprechen. Vorbild: Die britische Werbeaufsicht ASA beanstandete bei HSBC irreführende unternehmensweite Nachhaltigkeitswerbung. ...operative Prozesse im Blick hat. Ein Institut kann sich nur nachhaltig aufstellen, wenn es auch die internen Prozesse und Strukturen entsprechend etabliert. Wer sich als nachhaltig präsentiert oder entsprechende Produkte anbietet, muss sicherstellen, dass diese Aussagen durch die internen Abläufe tatsächlich gestützt werden. Die BaFin sollte daher prüfen, ob ein Institut überhaupt über die nötigen operativen Prozesse verfügt, um nachhaltige Produkte glaubwürdig anbieten zu können. Dazu gehören beispielsweise Verfahren zur Durchsetzung von Ausschlüssen sowie die Anpassung bestehender Strukturen – etwa bei der Performance-basierten Vergütung –, wenn nicht mehr ausschließlich finanzielle Kennzahlen im Fokus stehen. Vorbild: Die dänische Aufsicht FSA hat überprüft, ob die bei grünen Fonds angewandten Methoden und Verfahren dafür ausreichen, um ihre Investitionen als nachhaltig einzustufen. ...dabei proaktiv und systematisch vorgeht. Systematisches Greenwashing an Finanzmärkten kann nicht durch Einzelfallprüfungen eingedämmt werden. Die BaFin sollte die Nachhaltigkeitskommunikation von Finanzinstituten gegenüber Verbraucher*innen und Investor*innen deshalb proaktiv, umfassend und regelmäßig überprüfen – über die Bearbeitung einzelner Beschwerden oder Hinweise hinaus. Dazu gehört ein systematisches Screening von Selbstverpflichtungen, Prospekten, Werbematerialien, Webseiten, Social-Media-Auftritten und anderen öffentlichkeitswirksamen Kommunikationskanälen der beaufsichtigten Institute. Vorbilder: Die österreichische Finanzaufsicht FMA unterzieht alle Publikumsfonds einem systematischen Greenwashing-Screening, bei dem die in Marketingmaterial getätigten Versprechen mit dem Portfolio des Fonds verglichen werden – Auffälligkeiten führen zu fokussierten Prüfungen (hier ab S. 11 beschrieben). Die australische Finanzaufsicht ASIC unterzog die Nachhaltigkeitskommunikation von Publikumsfonds und Pensionsfonds – darunter Klimaaussagen börsennotierter Unternehmen, ESG-Governance-Praktiken und Offenlegungen von Pensionskassen – einer systematischen Prüfung (ab S. 19). Verstöße nach einem klaren Prozess sanktionieren Eine Aufsicht ist dann effektiv, wenn die Konsequenzen von Regelverstößen klar sind. Die BaFin sollte transparent definieren, wie Verstöße gegen nachhaltigkeitsbezogene Aussagen einheitlich dokumentiert und geahndet werden – abgestuft nach Art und Schwere des Verstoßes und von ihren Sanktionsmöglichkeiten auch Gebrauch machen. Nur so entstehen klare Erwartungen für den Markt und Vertrauen bei Verbraucher*innen. Einen Leitfaden zur Vermeidung von Greenwashing veröffentlichen Aufsicht braucht nicht nur Kontrolle, sondern auch Orientierung. Die BaFin sollte ein praxisnahes Informationsdokument veröffentlichen, das Finanzinstitute bei der glaubwürdigen, rechtssicheren und transparenten Kommunikation über ihre eigene Rolle im Bezug auf Nachhaltigkeit und über als nachhaltig vermarktete Produkte unterstützt. Über konkrete Erwartungen und Standards für Aussagen zur Nachhaltigkeit kann Greenwashing präventiv verhindert werden. Forderung 2: Finanzmärkte klimakrisenfest machen Durch Klimakrise und Artensterben, aber auch durch den notwendigen Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft, sind Risiken für Banken, Versicherer & Co. entstanden. Diese Nachhaltigkeitsrisiken umfassen sowohl physische Risiken wie Schäden durch extreme Wetterereignisse oder den Verlust von Biodiversität als auch Transformationsrisiken, die sich aus politischen, rechtlichen oder technologischen Veränderungen auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Wirtschaft ergeben. Damit Finanzunternehmen vor diesem Hintergrund stabil bleiben, gibt es inzwischen umfangreiche Vorgaben, wie Institute Nachhaltigkeitsrisiken erfassen und managen sollen. Doch bei der Einhaltung dieser Anforderung hakt es noch. So berichtet die BaFin selbst aus einer Untersuchung von Banken und Versicherern, dass viele physische Klimarisiken bislang nicht angemessen managen. Auch hier ist also die Aufsicht gefragt. Einhaltung von Anforderungen an den Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken prüfen und Risikovorsorge überwachen Die BaFin sollte eine Prüfungskampagne mit Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsrisiken durchführen und so die Einhaltung der Vorgaben zur Offenlegung und zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken gemäß den jeweils relevanten Mindestanforderungen überprüfen. Dabei ist sicherzustellen, dass Institute Nachhaltigkeitsrisiken systematisch identifizieren, bewerten und in ihre Risikosteuerung integrieren. Zudem muss sie die ausreichende Risikovorsorge auf Institutsebene überwachen und dies analog zur EZB in ihre Aufsichtsprozesse integrieren. Neben Klimarisiken sollten auch naturbedingte Risiken stärker in den Fokus der Aufsicht rücken. Bei den Prüfungen sollte es sowohl um Form als auch um Substanz gehen. Festgestellte Mängel sind im Rahmen eines transparenten und verbindlichen Verfahrens zu beheben, wobei als letzter Schritt wie bei der EZB sowohl Eigenkapitalaufschläge als auch aufsichtsrechtliche Sanktionen vorgesehen werden sollten. Transitionspläne von Banken prüfen Mittels aufsichtlicher (prudentieller) Transitionspläne müssen Banken gegenüber der Aufsicht nachvollziehbar darstellen, wie sie ihre Geschäftsaktivitäten an das Ziel der Klimaneutralität anpassen. Die BaFin sollte kontrollieren, ob Banken die Anforderungen an diese Transitionspläne gemäß den gesetzlichen Anforderungen umsetzen. Solche Prüfungen sind auch in den Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) vorgesehen, die die BaFin allerdings als einzige europäische Aufsicht nicht anzuwenden plant. Wir fordern, dass die BaFin die Leitlinien vollumfänglich anwendet. Alle anderen europäischen Aufsichtsbehörden werden dies tun, darunter auch Behörden, die ähnlich wie die BaFin für zahlreiche kleine Banken zuständig sind, die österreichische FMA etwa (Download Link). Systemrisikopuffer für Klimarisiken einführen Klimarisiken bedrohen nicht nur einzelne Institute, sondern können das Finanzsystem als Ganzes destabilisieren. Gemäß § 10e Kreditwesengesetz (KWG) kann die BaFin zur Abwehr besonderer systemischer Risiken einen Systemrisikopuffer anordnen. Artikel 133 CRD VI sieht explizit vor, dass der Systemrisikopuffer auch Klimarisiken mit erfassen kann. Klimarisiken sollten aufgrund ihres systemgefährdenden Charakters ausdrücklich als solcher Sonderfall behandelt und durch einen entsprechenden Puffer regulatorisch adressiert werden. Hierfür gibt es bereits konkrete Vorschläge. Forderung 3: Nachhaltigkeit wirksam in der Aufsicht verankern Derzeit gibt es bei der BaFin ein Zentrum für Sustainable Finance, angesiedelt als Stabstelle beim Exekutivdirektor für Strategie, Policy und Steuerung. Das Zentrum ist zwar querschnittsmäßig für das Thema Nachhaltigkeit zuständig, verfügt jedoch über keine eigenen Kompetenzen in der operativen Aufsicht. Die Aufsicht über Nachhaltigkeitsaspekte liegt dezentral verteilt in den drei Aufsichtssäulen für Banken, Versicherer und Wertpapierunternehmen und wird dort von den Zuständigen mitverantwortet. Organisationsstruktur im Nachhaltigkeitsbereich stärken Die BaFin sollte sich strukturell und personell schlagkräftiger aufstellen, um Nachhaltigkeitsrisiken und Greenwashing effektiver adressieren zu können. Dazu gehört der Aufbau von Expertise im Bereich Nachhaltigkeit (insbesondere in Verbindung mit Klimawissenschaft), Bündelung von Kompetenzen, die Verankerung von Weisungssträngen und eine bessere geschäftsbereichsübergreifende Koordinierung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Bundesbank, wo ein Direktoriumsmitglied die übergeordnete Kompetenz für Nachhaltigkeitsthemen innehat und bei Bedarf in die verschiedenen Geschäftsbereiche eingreifen darf. Wünschenswert wäre zudem die Schaffung spezialisierter Einheiten für Nachhaltigkeitsthemen innerhalb der zuständigen Aufsichtsbereiche. Nachhaltigkeitsrisiken könnten hierbei in der Bankenaufsicht, Greenwashing könnte in der Wertpapieraufsicht angesiedelt werden. Die in eine der Aufsichtssäulen integrierte Stelle sollte jeweils bereichsübergreifend zuständig sein. Auch wenn Nachhaltigkeitsrisiken beispielsweise innerhalb der Bankenaufsicht angesiedelt werden, sollte die Zuständigkeit also Versicherer und Vermögensverwalter mit einschließen. Transparenz über Aufsicht im Nachhaltigkeitsbereich herstellen Es braucht mehr öffentliche Informationen über die Maßnahmen der BaFin im Nachhaltigkeitsbereich, damit Finanzakteur*innen und andere Stakeholder erkennen, dass das Thema ernst genommen wird und Verstöße präventiv verhindert werden. Dazu gehören: Regelmäßige Berichte zu den Aktivitäten im Nachhaltigkeitsbereich. Naming und Shaming bei systematischen Verstößen. Anonymisierte Berichte über kleinere Verstöße und ihre Konsequenzen, beispielsweise aggregierte Informationen über die häufigsten Feststellungen in den Bankenprüfungen oder von Greenwashing-Screenings. Einsatz für starke Regeln für nachhaltige Finanzmärkte Angesichts des drohenden Rückschritts bei den europäischen Regeln für nachhaltige Finanzmärkte, insbesondere der Nachhaltigkeitsberichterstattung, sollte die BaFin sich in nationalen, europäischen und internationalen Gremien aktiv für den Erhalt und die bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Rechtsrahmens, für die Entwicklung von wirksamer Level-3-Gesetzgebung und mehr europäische Konvergenz in der Aufsichtspraxis einsetzen. Dies ist unter anderem für die Unterbindung von Greenwashing relevant, denn nur mit ausreichend Informationen und klaren Kategorien für nachhaltige Finanzprodukte können Finanzmarktteilnehmer*innen Investitionen angemessen beurteilen. Außerdem sind sowohl gute regulatorische Standards als auch die Daten aus Nachhaltigkeitsberichten unerlässlich für die Risikosteuerung von Finanzinstituten und die Ausübung der Aufsicht, wie unter anderem die EZB bereits betont hat. Deshalb liegt der Einsatz für das europäische Nachhaltigkeitsregelwerk im Eigeninteresse der Bafin. Diese Forderungen haben wir an die BaFin geschickt und werden darauf drängen, dass sie ihrer Verantwortung künftig nachkommt. Denn wir sind überzeugt: Eine starke, vorausschauende Finanzaufsicht ist zentral für ein nachhaltiges und stabiles Finanzsystem. Dieses Projekt wird unterstützt von der KR Foundation