Augen auf – (nicht nur) bei der Frauen-Finanzberatung

14.05.2024
Finanzen für Frauen
  • Es gibt einen wachsenden Markt für frauenspezifische Finanzberatung, der durch Werbung mit Themen wie finanzieller Unabhängigkeit und Absicherung im Alter immer sichtbarer wird.
  • Wie immer auf dem Markt für Finanzberatung gibt es auch bei diesen Angeboten Interessenkonflikte, beispielsweise im provisionsbasierten Geschäft, und damit das Risiko von Fehlberatung. Weitere Probleme sind mangelnde Transparenz und unnötig teure Angebote.
  • Deshalb ist es wichtig, sich genau zu informieren über die Art des Angebots, Kosten und Interessen der Berater*innen und nicht blind auf Wohlfühl-Marketing zu vertrauen.

Der Markt für Finanzangebote, die sich speziell an Frauen richten, wird zunehmend populärer. Es geht sowohl um klassische provisionsbasierte Beratung sowie Honorarberatung als auch um weniger klar definierte Angebote wie Coachings und Mentoring. Werbung für diese Angebote wird immer präsenter, besonders in sozialen Medien. Doch was hat es mit frauenspezifischer Finanzberatung auf sich? Wir haben uns einmal umgeschaut.  


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Größere Rentenlücke, kleineres Vermögen

Fragt man zunächst, weshalb es überhaupt spezielle Finanzangebote für Frauen brauchen könnte, stößt man auf ernüchternde Tatsachen. Frauen beziehen im Durchschnitt eine geringere Rente als Männer, sind häufiger von Altersarmut betroffen und seltener am Kapitalmarkt aktiv. Sie trauen sich in Finanzfragen weniger zu, überlassen langfristige Finanzentscheidungen eher ihren Partnern und haben weniger Vermögen als Männer. 

Gleichzeitig haben Studien gezeigt, dass Frauen in der klassischen Finanzberatung oft schlechtere Produkte empfohlen bekommen und die mehrheitlich männlichen Berater weniger auf Kundinnen eingehen. Frauen sind in Finanzdingen häufig schlechter gestellt als Männer. Daher ist es nur verständlich, dass sich ein Markt herausbildet, der auf die Bedürfnisse von Frauen im Umgang mit Geld und Geldanlagen eingeht. 

Finanzwende hat sich diesen Markt näher angesehen. Die erste Erkenntnis dabei: Bei der Werbung für frauenspezifische Finanzangebote gibt es ganz grob zwei zentrale Narrative. Das erste Narrativ stellt Sicherheit und Schutz vor Altersarmut in den Vordergrund und richtet sich eher an Verbraucherinnen mittleren Alters. Das zweite Narrativ lockt mit Versprechen von Unabhängigkeit, Empowerment und zum Teil auch Reichtum und richtet sich eher an Frauen am Anfang des Berufslebens.

Verschiedene Angebote unterscheiden

Zweite Erkenntnis: Es gibt verschiedene Arten von Beratung, die sich grundlegend voneinander unterscheiden. Nicht immer ist direkt ersichtlich, was genau eigentlich angeboten wird – die genaue rechtliche Bezeichnung wird meist nur da verwendet, wo es verpflichtend ist. Ein Blick ins Impressum einer Website mit frauenspezifischem Beratungsangebot sollte Klarheit schaffen. Tut es das nicht, ist Vorsicht geboten. 

Eine Einordnung

(Rechtliche) Bezeichnung

Bedeutung

Das steht im Impressum

Honorar-Finanz­anlagen­beratung

Berater*innen beraten zu und bieten Produkte ohne Festlegung auf Anbieter*innen an und werden von den Kund*innen für die Beratung direkt bezahlt. 

„Erlaubnis gemäß § 34h der Gewerbeordnung (GewO)“

Finanz­anlagen­vermittlung

Vermittler*innen beraten zu und bieten Produkte ohne Festlegung auf Anbieter*innen an und bekommen bei Abschluss eine Provision bezahlt. 

„Erlaubnis gemäß § 34f der Gewerbeordnung (GewO)“

Gebundene Vermittlung

Vermittler*innen bieten nur Produkte eines oder mehrerer Anbieter*innen an und erhalten bei Verkauf von Finanzprodukten Provisionen. 

„Erlaubnis gemäß § 34c oder § 34d  Abs. 1 der  Gewerbeordnung (GewO)“

Coaching und Mentoring

Kein geschützter Begriff. Coach oder Mentor*in vermittelt allgemeines Wissen und/oder motiviert zur Auseinandersetzung mit der Geldanlage, darf aber keine Finanzprodukte empfehlen oder verkaufen. Achtung: Auch Vermittler*innen (siehe oben) nutzen inzwischen manchmal irreführenderweise die Bezeichnung „Coach“. 

Keine spezifische rechtliche Zulassung

Anbieter*in von Finanzbildung

Im besten Fall wird Alltags-Finanzkompetenz vermittelt und Grundzüge des Vermögensaufbaus in Eigenregie. Keine fachspezifische Zulassung erforderlich. Finanzbildung bieten Banken an, Agenturen, selbst ernannte Akademien, Honorarberater*innen, Provisionsberater*innen, Strukturvertriebe, Coaches – die Palette ist umfangreich.

Keine spezifische rechtliche Zulassung

Wie im gewöhnlichen Markt für Geldanlagen gibt es leider auch im frauenspezifischen Markt zum Teil Probleme. Beispielsweise ist die Vermarktung über vermeintliche „Freundschaft“ kein Qualitätskriterium, sondern Marketing, unabhängig davon, auf welches Geschlecht die Beratung ausgerichtet ist. Nur weil mit „Beratung von Frau zu Frau“ oder einer wertschätzenden Atmosphäre geworben wird, unterscheidet sich ein Angebot nicht grundsätzlich von konventionellen Pendants. 

Allein die Ausrichtung auf Frauen schützt beispielsweise nicht vor dem Risiko von Fehlberatung im provisionsbasierten Geschäft: Es besteht ebenso die Gefahr, ungeeignete und überteuerte Produkte angeboten zu bekommen. Teilweise fehlt es an Transparenz über das Geschäftsmodell oder die Kosten bei Angeboten wie Coachings.

Nicht blind auf vertrauenserweckende Label vertrauen

Deshalb ist es wichtig, sich genau mit Angeboten auseinanderzusetzen und sich nicht blind auf vertrauenserweckende Werbung zu verlassen. Dazu gehört, die Art der Bezahlung und das Geschäftsmodell der Beratenden zu verstehen und die Kosten und Gebühren von Angeboten im Blick zu behalten. Neben dem Bauchgefühl müssen eben auch die finanziellen Grundlagen stimmen. Wenn alles passt, sind frauenspezifische Finanzangebote ein guter Weg, um finanzielle Sicherheit und Unabhängigkeit zu stärken, Finanzbildung aufzubauen und die möglichen Defizite der klassischen Angebote zu umgehen.

Was es dagegen nicht braucht, sind frauenspezifische Finanzprodukte wie Investmentfonds extra für Frauen. Die sind unnötig und womöglich zu teuer. Klassische Produkte der Geldanlage und Vorsorge sind ausreichend, unabhängig vom Geschlecht. 

Augen auf bei der Finanzberatung

Es ist und bleibt wichtig, dass sich Frauen mit ihren Finanzen und ihrer Altersvorsorge beschäftigen, in der Beziehung über Geld sprechen und Tabus überwinden, um bestehende Defizite zu überwinden. Da traditionelle Beratungsangebote nachteilig für Verbraucherinnen sein können, gibt es einen grundsätzlichen Case für frauenspezifische Angebote. 

Aber: Die Fallstricke bei frauenspezifischen Angeboten sind dieselben wie bei der gewöhnlichen Beratung. Das Frauen-Label schützt nicht vor Fehlberatung, schlechten Produkten, Interessenkonflikten und mangelnder Transparenz. Deshalb ist es zentral, Angebote zu verstehen, die Bezahlung und Geschäftsmodelle der Berater*innen nachzuvollziehen und auf versteckte Kosten und Gebühren zu achten. Andere Finanzprodukte als Männer brauchen Frauen nicht. 


Unterm Strich: Tipps & Tricks

Verbraucherproblem: Beratung ist nicht gleich Beratung. Und weil die fachliche Qualifikation und der wirtschaftliche Hintergrund des Gegenübers schwer einzuschätzen sind, sollten sich Verbraucher*innen schon vor dem ersten Gespräch informieren.

  • Auf den Status der Ratgeber*innen achten. Ob Ratgeber*innen in Finanzfragen ihr Geld mit Beratung oder mit Vermittlung verdienen, lässt sich am ehesten an ihrem rechtlichen Status festmachen. Welche Zulassung ein*e Berater*in oder ein*e Vermittler*in hat, können Sie an deren Zulassung im Impressum auf deren Website erkennen. Gibt das Impressum keinerlei Hinweise, ist Vorsicht geboten.
    Achtung: „Coaching“, „Mentoring“ oder „Anbieter*in von Finanzbildung“ sind keine geschützten Begriffe und bedürfen daher keiner spezifischen rechtliche Zulassung. Kurzum: Jede*r kann sich damit schmücken – unabhängig davon, ob er oder sie etwas von Geld versteht oder nicht.
  • Dem Label „Für Frauen“ nicht blind vertrauen. Ob Interessenkonflikte, Fehlberatung, überteuerte Produkte oder intransparente Geschäftsmodelle – die üblichen Fallstricke und Probleme finden sich auch bei frauenspezifischen Angeboten. Zumindest in diesem Punkt herrscht Gleichberechtigung. Sie sollten daher auch bei vermeintlichen Frauen-Angeboten genau hinschauen: Was ist das Geschäftsmodell der Berater*innen? Wie hoch sind die Kosten?
  • Frauen-Finanzprodukte braucht es nicht. Beratungsangebote spezifisch für Frauen können Sinn machen, speziell für Frauen designte Finanzprodukte eher nicht. Sie sind schlicht unnötig. Bei der Geldanlage und der Vorsorge gilt: Das handelsübliche Sortiment reicht aus, unabhängig vom Geschlecht.