Riester-Rente: Kürzung per Klausel gekippt

Das Landgericht Köln hat eine nachträgliche Rentenkürzung klar verneint

29.09.2023
Riester: Rentenkürzung
  • Das Landgericht Köln hat im Fall eines Kölner Angestellten die einseitige Kürzung einer Riester-Rente für unwirksam erklärt. Die umstrittene Klausel der Zurich Deutscher Herold ist demnach null und nichtig.
  • Die Zurich hat sich zu viele Freiheiten herausgenommen. Auch die gesetzliche Grundlage, auf die sich die Zurich bei der Rentenkürzung beruft, greift laut Gericht nicht.
  • Das Urteil stärkt die Position zahlreicher Versicherter, deren Rentenansprüche ebenfalls einseitig gekürzt wurden. Bundesweit könnten zehntausende Menschen betroffen sein.

Als die 26. Zivilkammer des Kölner Landgerichts ihr Urteil bekannt gab, war es für den Kläger ein Erfolg auf der ganzen Linie: Die Vertragsklausel, auf die sich die Zurich im Jahr 2017 berufen hatte, um den Mann seine zukünftige Riester-Rente zu kappen, ist unwirksam. Finanzwende unterstützt den Verbraucher.

Seine Rentenkürzung ist damit null und nichtig. Der Angestellte erhält nun für seinen fondsgebundenen Riester-Vertrag monatlich wieder rund 37 Euro Rente je 10.000 Euro Sparkapital – genau so, wie es in seinem Versicherungsschein steht. Die Zurich hatte ihm zuvor rund ein Viertel gestrichen. Die Kürzung aus dem Jahr 2017 war laut Urteil in seinem Fall aber nicht zulässig. Und: Die Klausel darf auch in Zukunft nicht mehr angewendet werden (Az. 26 O 12/22). Die Entscheidung ist rechtskräftig.


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Die Zurich hat sich zu viele Freiheiten herausgenommen

Mit dieser Entscheidung kippte das Gericht eine konkrete Klausel aus den Produktbedingungen der Zurich – und es ging noch darüber hinaus. Nach Lesart des Gerichts hatte das Versicherungsunternehmen auch generell nicht das Recht, die Rentenansprüche des Kunden auf Grundlage des Gesetzes zu schmälern. Kurzum: Die Zurich hat sich zu viele Freiheiten herausgenommen.

Das Urteil wirft ein Schlaglicht auf die Frage, was Versicherer mitunter unter Fairplay verstehen. Erst wird im Versicherungsschein ein Faktor zur Rentenberechnung vereinbart, dann aber später wieder einkassiert – mit der Begründung, es laufe am Kapitalmarkt nicht so gut wie gedacht. Der Verweis der Zurich aufs Kleingedruckte verfing vor Gericht jedoch nicht.

Das Urteil könnte sich als wegweisend für unzufriedene Versicherte erweisen, weil es zum ersten Mal über einseitige Kürzungen bei Riester-Renten entscheidet. Signalcharakter hat es allemal.

Ähnliche Rentenkürzungen gab es bundesweit zuhauf

Denn Rentenkürzungen auf Grundlage dieser oder ähnlicher Klauseln gab es bundesweit zuhauf – sowohl bei der Zurich im Jahr 2017 als auch bei der Allianz Leben. Allein dort sollen Presseberichten zufolge rund 700.000 Verträge betroffen sein. Teils wurde die Rentenzusage bei der Allianz Leben sogar schon zweimal gekappt.

Nach Schätzungen von Finanzwende könnten zehntausende Versicherte mit fondsgebundenen Rentenversicherungen von dem Urteil profitieren. Sie sparen zurzeit noch für das Alter an, sollen aber nach dem Willen ihres Versicherers zum Beginn des Ruhestands weniger Rente erhalten als ursprünglich einmal vereinbart.

Wie viel Monatsrente es im Alter gibt, legt der so genannte Rentenfaktor fest. Er ist die maßgebliche Rechengröße, nach der das angesparte Kapital später in eine Rente umgemünzt wird. Die Rechengröße ist dem Gericht zufolge aber keineswegs so unverbindlich, wie die Zurich gerne glauben machen wollte. Sie hatte ihrem Kölner Kunden den ursprünglich vereinbarten Rentenfaktor von 37,34 Euro je 10.000 Euro Kapital auf 27,97 Euro gekappt – und damit den zukünftigen Rentenanspruch um knapp ein Viertel gekürzt.

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Verluste für Kunden in fünfstelliger Höhe

Diesen Verlust wollte der Mann nicht einfach hinnehmen. Es ging ihm dabei nicht nur um die fehlende Planungssicherheit für sein Alter. Bei Rentenkürzungen geht es in aller Regel auch um viel Geld.

Warum das so ist, zeigt ein Rechenbeispiel: Wenn man unterstellt, dass der Kölner Sparer zum Rentenbeginn im Jahr 2039 ein Sparkapital von 130.000 Euro erreicht, hätte er durch die Kürzung monatlich gut 120 Euro Rente verloren – und zwar lebenslang. Bei einer typischen weiteren Lebenserwartung von 20 Jahren betrüge sein Verlust zusammengerechnet rund 29.000 Euro. Wer länger lebt, verliert noch mehr.

Es geht bei dem Rechtsstreit also um viel Geld und um die Grundsatzfrage, ob sich Versicherer tatsächlich das Recht vorhalten dürfen, die vereinbarte Riester-Rente bei einer Flaute an den Kapitalmärkten einseitig zu kürzen – ohne den Versicherten im Gegenzug auch eine Erhöhung einzuräumen, wenn es besser läuft als gedacht. Diese Schieflage hatte Finanzwende ausdrücklich kritisiert.

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Kund*innen werden klar benachteiligt

Die Regelung der Zurich gehe zum Nachteil des Versicherungsnehmers, bestätigte das Gericht. Anpassungsklauseln müssten „das vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in beide Richtungen wahren.“ Auch die gesetzliche Grundlage, die die Zurich anführt, eröffne ihr keine Anpassungsbefugnis aufgrund geringerer Kapitalerträge.

Der Kölner Kläger ist naturgemäß froh über den Ausgang des Verfahrens. Andere Versicherungsnehmer*innen können sich ab sofort auf das Urteil berufen (Az. 26 O 12/22). Das Kölner Verfahren ist aber zunächst nur ein Etappensieg für die vielen Kund*innen, die vor dem gleichen Problem stehen: Das Landgericht Stuttgart hatte in einem ähnlichen Verfahren eine Klage gegen die Allianz abgewiesen (Az. 53 O 214/22). Nun soll das Oberlandesgericht entscheiden – Ausgang noch ungewiss.

Verärgert über die nachträgliche Rentenschmelze sind viele. „Die Zurich hat es sich mit der Rentenkürzung sehr einfach gemacht, aber das ist doch keine Geschäftsbasis“, sagt ein Zurich-Kunde aus Niederbayern. Er und seine Frau haben beide fondsgebundene Riester-Renten, die 2017 gekürzt wurden. Sein Vermittler konnte ihm damals nur lapidar entgegengehalten, die Rente sei zwar gesunken, doch das Sparkapital im Fonds bleibe ja gleich. Das Vorgehen der Zurich ärgert ihn bis heute.


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Faire Spielregeln statt Rückzug aufs Kleingedruckte

Klar ist: Die Spiegelregeln bei langlaufenden Vorsorgeverträgen sollten fair, klar und verständlich geregelt sein – auch für die Kund*innen. Sie müssen wissen, worauf sie sich einlassen, denn für sie kommt es auf eine planbare Rente an. Genau das ist schließlich das zentrale Leistungsversprechen einer Rentenversicherung – ob nun mit staatlicher Förderung oder nicht.

Eine nachträgliche Rentenkürzung verbunden mit dem Verweis auf das Kleingedruckte ist jedenfalls nicht verbraucherfreundlich. Als Vertragspartner*in für die Zukunft empfehlen sich solche Unternehmen nicht.