Riester: Viel Gebühren, wenig Rente

Schickt die Riester-Rente in den Ruhestand!

Slogan "Riester: Viel Gebühren, wenig Rente", darunter links Stapel von Geldmünzen und rechts Hand mit brennenden Geldscheinen
  • Insgesamt 16,4 Millionen Riester-Verträge haben die Deutschen bislang abgeschlossen.
  • Laut einer Finanzwende Auswertung vom Dezember 2020 fließt bei einem durchschnittlichen Vertrag nahezu jeder vierte eingezahlte Euro in die Kosten.
  • Finanzwende plädiert für einen echten Systemwechsel: ein staatlich organisiertes Vorsorgeprodukt für alle Bürger*innen, das sich an dem schwedischen Vorsorgefonds orientiert.

Als Carsten Maschmeyer noch Chef beim Finanzvertrieb AWD war, sah er in der staatlich geförderten Riester-Rente die Verheißung für eine goldene Zukunft. Im Jahr 2005 verglich er Berichten zufolge die frisch grundrenovierte Zusatzvorsorge mit einer Ölquelle: „Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß, und sie wird sprudeln.“

Viele Jahre, etliche Reformen und zig Milliarden Euro später sprudelt die Quelle immer noch – aber nicht mehr so munter wie von den Anbieter*innen gewünscht. Der Verkauf lahmt, selbst die Vertragsbestände der Versicherer*innen und Fondsgesellschaften sinken. Gemeinsam mit der Bausparlobby dringen die Verbände bei der Bundesregierung nun auf die x-te Riester-Reform, um das Geschäft erneut anzukurbeln.

Jörg Asmussen, Chef des mächtigen Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, fand dafür in der BILD-Zeitung große Worte: Es brauche „eine Riester-Revolution“ – am besten soll gleich auch ein neuer Name her. Die Marke ,Riester-Rente‘ habe ihren Glanz verloren.

Der Lack ist ab, das stimmt. 16,4 Millionen Riester-Verträge haben die Deutschen bislang abgeschlossen, die meisten davon bei den Versicherern. Jeder fünfte Vertrag wird schätzungsweise gar nicht mehr bespart und mehr als fünf Millionen Riester-Sparer*innen zahlen so wenig ein, dass sie nicht die volle staatliche Zulage bekommen.

Ein Grund für die Zurückhaltung dürften die hohen Kosten der Riester-Anbieter*innen sein. Darüber reden sie natürlich nicht gerne. Finanzwende hat deshalb die Kosten von 65 Riester-Rentenversicherungen anhand der offiziellen Muster-Produktinformationsblätter untersucht. Das Ergebnis: Laut dieser Auswertung fließt bei einem durchschnittlichen Vertrag nahezu jeder vierte eingezahlte Euro in die Kosten. In der Spitze sind es sogar 38 von 100 Euro von Beitrag und Zulagen. Hier kommen Sie zur gesamten Auswertung.

Für die Altersvorsorge steht dieses Geld nicht mehr zur Verfügung.

Dass es bei derart hohen Kosten mit Argumenten eng wird, wissen auch die Versicherer. Umso mehr, als die Finanzwende-Analyse nur die Kosten in der Sparphase umfasst. Danach geht es weiter. Im Ruhestand fallen wieder Gebühren an – und dann sind die Versicherer bei wirklich jedem Riester-Sparvertrag dabei, weil sie die vorgeschriebene Absicherung ab dem Alter von 85 Jahren übernehmen.   

Anbieter*innen stellen weniger Kosten in Aussicht – wieder einmal

Mit einer Wiederbelebung der Riester-Rente, so locken denn auch die Verbände, gebe es „erhebliches Potenzial, um Kosten zu senken“. Dafür sei aber ein enges Zusammenspiel von Anbieter*innen und Staat unverzichtbar. Das klingt, als könne man selber an den hohen Kosten nun wirklich nichts ändern - und nach einem altbekannten Ablenkungsmanöver. Erst mal laut rufen: Haltet den Dieb!

Doch das Kostenproblem wird sich nicht wegreformieren lassen. Schließlich hatten die Versicherungsgesellschaften angesichts sinkender Zinsen schon viel Zeit, um ihre Abschlusskosten zu senken. Fast 20 Jahre ist so gut wie nichts passiert. Sobald das Thema Kosten politisch wieder von der Agenda verschwand, etwa nach dem Lebensversicherungsreformgesetz, machten die Versicherer beharrlich weiter wie zuvor.

Riester: Rentenkürzung

Riester-Rente: Kürzung per Klausel gekippt

Finanzwende unterstützt die Klage eines einzelnen Verbrauchers gegen eine große Versicherungsgesellschaft. In dem Fall geht es um die Zurich Lebensversicherung, die sich bei fondsgebundenen Riester-Verträgen vorbehält, eine vereinbarte Rente nachträglich zu kürzen.
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Tatsächlich sind die hohen Kosten der Anbieter*innen gar kein Riesterthema, sondern auch bei anderen Rentenprodukten zu beobachten – zum Beispiel bei Rürup-Policen. Die Branche hat es schlicht versäumt, ihre Hausaufgaben zu machen und die Kostenapparate anzupassen. Insofern kann man die staatlichen Zulagen für Riester-Renten auch als eine Art subventioniertes Beschäftigungsprogramm für Vertriebe verstehen.

Zwar können sich Riester-Sparverträge individuell für Kund*innen mit hohen staatlichen Zulagen – etwa für Geringverdiener*innen oder mit Kindern – lohnen. Effizienter macht das die Produkte aber nicht. Zudem stammen die Zulagen aus Steuergeldern, für die alle Bürger*innen aufkommen müssen.  

Aber warum sollten wir eigentlich teure Finanzprodukte subventionieren? Allein 2,9 Milliarden Euro an Zulagen wurden im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen überwiesen, belegt eine Auswertung des Bundesfinanzministeriums. Seit dem Start der Riester-Rente im Jahr 2002 kommen rund 35 Milliarden Euro zusammen.

Viele Riester-Sparer*innen schütteln nur noch den Kopf

Viele Sparer*innen schütteln nur noch den Kopf, über das, was sie in ihren Riester-Jahresmitteilungen sehen. Dort sind die Kosten in Euro und Cent ausgewiesen. Ein Finanzwende-Mitglied stellte kürzlich fest, dass seine Zulage von 175 Euro im vergangenen Jahr vollständig für Gebühren draufging – und er noch 55 Euro obendrauf legen musste. In seinem zwölften Vertragsjahr übersteigen die summierten Spesen seiner fondsgebundenen Riester-Rente mit gut 5000 Euro die bisherigen Erträge immer noch deutlich. Trotz guter Börsenjahre.

Mit solchen Erfahrungen steht er nicht alleine. Unter der Überschrift „Völlig verriestert“, analysiert der Ökonomieprofessor und Finanzwende-Fellow Hartmut Walz einige Fälle. Auch die Kund*innen selbst greifen mittlerweile immer häufiger zu Excel-Tabellen. Einer hat den Stand der Dinge für seine Riester-Fondspolice ausgerechnet: Nach 15 Jahren – die meisten davon ohne Sparbeiträge - kommt er auf rund 2500 Euro an Kosten und knapp 1700 Euro an sicheren Erträgen.

Bei vielen von ihnen setzt sich die Erkenntnis fest: Unterm Strich, zahle ich! Ob als Riester-Sparer*in oder als Steuerzahler*in.

Abgeschlossene Petition

Das Kostenproblem der Versicherer*innen ist enorm – auch gemessen an dem, was die Bundesregierung regelmäßig annimmt. Sie geht in ihrem aktuellen  Rentenversicherungsbericht für einen fiktiven Riestervertrag von Kosten in Höhe von 10 Prozent des Sparbetrags aus. Tatsächlich allerdings liegen die Kosten bei einer durchschnittlichen Riester-Versicherung nach der Finanzwende-Auswertung allerdings zweieinhalb mal so hoch - bei knapp 25 Prozent der Einzahlungen. Und eine ganze Reihe von Anbieter*innen knappst den Musterkund*innen das Dreifache ab.

Die Zahlen zeigen: Die hohen Kosten sind ein Kernproblem. Das Konzept Riester-Rente erweist sich nach 18 langen Jahren und vielen erfolglosen Reformversuchen als nicht tragfähig. Viel zu viele der Produkte sind ineffizient. Das eigentliche Ziel - die Altersvorsorge der Bürger*innen aufzubessern – wird so vielfach verfehlt.

Was also tun? Finanzwende plädiert für einen echten Systemwechsel: ein staatlich organisiertes Vorsorgeprodukt für alle Bürger*innen, das sich an dem schwedischen Vorsorgefonds orientiert. Er kommt mit einem Bruchteil der Kosten aus, die Riester-Rentenversicherungen vereinnahmen.

Was das für die Altersvorsorge von Millionen Deutschen bedeuten kann, zeigt ein Modell. Schwedische Bürger*innen haben letztlich mehr auf dem Vorsorgekonto als die Deutschen. Gehen wir mal wie beim Riester-Musterkunden in der Studie von 1200 Euro Einzahlung im Jahr aus. Bei einer jeweils unterstellten Wertentwicklung von 5 Prozent haben deutsche Sparer*innen mit einer durchschnittlich belasteten Riester-Rentenversicherung nach 30 Jahren rund 16.600 Euro weniger auf dem Vorsorgekonto als Schwed*innen. Allein wegen der Kosten.

Das Vorsorgekapital, das uns später im Vergleich zu den Schwed*innen fehlt, sind – so kann man sagen – die Kosten der Riester-Rente. Und der Preis für schlechte Finanzpolitik.