Wie die Kölner Richter*innen entschieden

Die Entscheidung des Gerichts – und was es ganz konkret bemängelte

29.09.2023
Riester-Rentenkürzung: Das Urteil

Das Landgericht Köln hat im Fall eines Riester-Kunden zum ersten Mal die einseitige Rentenkürzung einer Versicherungsgesellschaft für unwirksam erklärt. Das Urteil könnte zehntausende Versicherte betreffen.

In dem verhandelten Fall hatte ein Kölner Riester-Sparer geklagt, weil die Zurich Lebensversicherung ihm im Jahr 2017 seine zukünftige Riester-Rente überraschend um fast ein Viertel kürzte. Obwohl die Zurich für den fondsgebundenen Vertrag im Versicherungsschein eine Monatsrente von gut 37 Euro je 10.000 Euro Sparkapital vereinbart hatte, teilte sie damals mit, daraus werde nichts. Wegen der anhaltend niedrigen Zinsen habe man neu kalkuliert und zahle ihm ab dem Rentenbeginn im Jahr 2039 jeweils nur noch knapp 28 Euro.

Der so genannte Rentenfaktor – also die Monatsrente je 10.000 Euro Sparkapital – wurde also um fast ein Viertel gekürzt.

Diese Rentenschmelze wollte der Angestellte nicht hinnehmen und klagte unterstützt von Finanzwende. Der Fall ragt über den Einzelfall hinaus, denn es geht um eine Grundsatzfrage: Darf eine Versicherung – wenn es am Kapitalmarkt nicht gut läuft – einseitig eine einmal vereinbarte Rente nachträglich zusammenstreichen?

Nein, entschieden die Kölner Richter*innen im Fall der Zurich (Az: 26 O 12/22). Die Kürzung aus dem Jahr 2017 ist unwirksam – und auch zukünftige Rentenkürzungen sind nicht erlaubt.

Riester: Rentenkürzung

Riester-Rente: Kürzung per Klausel gekippt

Das Landgericht Köln hat im Fall eines Kölner Angestellten die einseitige Kürzung einer Riester-Rente für unwirksam erklärt. Das Urteil stärkt die Position von zahlreichen Versicherten und könnte bundesweit zehntausende Menschen betreffen.
Mehr erfahren

Finanzwende dokumentiert hier Auszüge aus dem Urteil im Wortlaut der Richter*innen:

1 | Gilt der im Versicherungsschein festgelegte Rentenfaktor von 37,34 als vertraglich vereinbart?

Ja, sagen die Richter*innen. Davon durfte der Zurich-Kunde nach den Produktbedingungen (PB) ausgehen.

„Der Rentenfaktor wurde im Versicherungsschein vom 15.11.2006 vertraglich vereinbart und stellt einen wesentlichen Vertragsinhalt dar. Zwar wird dort nicht ausdrücklich auf eine „Garantie“ des Rentenfaktors hingewiesen. Jedoch ergibt sich aus dem Zusammenhang mit den PB, dass der Versicherungsnehmer von einem Rentenfaktor i. H. v. 37,34 EUR ausgehen durfte.“

„Auch die Anpassungsklausel in § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB selbst belegt, dass die Beklagte hier einen Rentenfaktor festlegen wollte. Denn hätte die Nennung im Versicherungsschein eine bloße Mittelung darstellen sollen, hätte sie die Änderung nicht von der Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders abhängig machen müssen.“

2 | Ist die Anpassungsklausel im Vertrag des Kölner Kunden unwirksam?

Ja, sagen die Richter*innen. Die Regelung der Zurich benachteiligt den Kunden und ist unwirksam.

„Die Klausel des § 2 Abs. 2 Unterabs. 2 + 3 PB ist hier auch gem. § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Auch folgt eine unangemessene Benachteiligung daraus, dass der Klausel keine entsprechende „spiegelbildliche“ Verpflichtung zur Weitergabe von Kostenminderungen zu entnehmen ist. Anpassungsklauseln dürfen nicht nur bei Äquivalenzstörungen zulasten des Versicherndens eine Anpassung vorsehen. Vielmehr müssen sie das vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in beide Richtungen wahren.

Vorliegend regelt die Klausel jedoch nur die Voraussetzungen für die Herabsenkung des Rentenfaktors. Aussagen über Voraussetzungen zur Heraufstufung des Rentenfaktors trifft sie nicht.

Auch die Tatsache, dass der Versicherungsnehmende von einer positiven Entwicklung der Rendite der Kapitalanlagen durch eine Beteiligung an den höheren Überschüssen profitiert, wahrt das Äquivalenzprinzip nicht. Denn die Überschüsse fließen nur unter Abzug des Anteils des Versicherndens an den Versicherungsnehmenden zurück. Auch kann die Zuschlagsrente aus Überschussbeteiligung problemlos gekürzt werden, während der (höhere) Rentenfaktor nur unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden kann.“

3 | Durfte die Zurich den Rentenfaktor des Kunden wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase herabsetzen?

Nein, entschied das Landgericht Köln.

„Eine Herabsetzung des Rentenfaktors nach der gesetzlichen Regelung des § 163 Abs. 1 S. 1 VVG scheidet vorliegend aus, weil die Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind. Sie eröffnet keine Anpassungsbefugnis für den Fall, dass der Versicherer geringere Kapitalerträge erwirtschaftet, als er bei der Festlegung des Rechnungszinses kalkuliert hat.“

In seinem Urteil bestätigte das Landgericht Köln die Position des Verbrauchers also auf der ganzen Linie.


Wie es in Schen Riester-Rente weitergeht? Jetzt Newsletter abonnieren und auf dem Laufenden bleiben: